Review: Palia - bisher eher enttäuschend (2024)

Jahrzehnte lange habe ich einen großen Bogen um Farm-Simulationen und ähnliche Spiele gemacht. Erst Stardew Valley hatte es 2017 geschafft, meine Interesse zu wecken.
Seitdem habe ich hunderte Stunden in allerhand Vertretern dieses Genres verbracht. So hatte ich vor 2019 sehr viel Spaß mit My time at portia und habe wie Millionen andere während des Lockdowns über Wochen auf meiner Insel in Animal Crossing gelebt. Zuletzt hatte ich eine Menge Freude in Disneys Dreamlight Valley.

Was mich allerdings immer so ein bisschen gestört hatte, war die Einsamkeit in diesen Welten. Denn zwar kann man in allen genannten Spielen Freundschaften mit NPC schließen, diese teilweise auch heiraten und auf dem eigenen Hof beschäftigen. Aber tiefergehende Interaktionen sind nicht möglich. Bei Stardew Valley wurde zwar nachträglich ein Koop-Modus ins Spiel integriert, aber sonderlich lebhafter wurden die Dörfer dadurch auch nicht.

Palia versucht genau dieses Problem zu lösen, weil es eines der ersten MMO in dieser Rubrik ist. Deswegen war meine Vorfreude auch ziemlich groß als ich zum Beta-Test eingeladen worden bin.
Nach gut 20 Stunden Spielzeit macht sich aber ziemliche Ernüchterung breit.

Grafisch altbacken

Das erste was mich schnell auf den Boden der Tatsachen zurückholte, war die Grafik. Die sah auf den bisherigen Screenshots wirklich top aus. Generell bin ich ein großer Fan dieser Comic-Grafik. Ich brauche keine fotorealistische Grafik, um mich wohlzufühlen. Ich halte Genshin Impact z.B. bislang für eines der grafisch besten Spiele der letzten Jahre. Und eigentlich hätte ich anhand der Vorab-Screenshots Palia ebenfalls auf einem ähnlichen Level verortet. Leider glänzt das aktuelle Spiel aber eher durch Matsch-Texturen, schlechte Animationen, wenig Abwechslung insbesondere in Sachen Weltdesign, kaum Effekte und ist größtenteils stark überbelichtet.

Hier sollte also noch eine Menge Arbeit in die grafische Präsentation gesteckt werden. Wie gesagt erwarte ich keine fotorealstische Grafik. Aber gerade die unscharfen Texturen und die starke Überbelichtung stören doch sehr.

Spielmechaniken nur solide

Was das eigentliche Gameplay betrifft, ist das Spiel ganz in Ordnung. Das Housingsystem ist umfangreich. Es gibt verschiedene Berufe, zahlreiche Materialien, Herstellungsketten, Romanzen, Quests, Freischaltbares, etc. Eigentlich alles, was man bei so einem Spiel erwartet. Leider aber in vielen Bereichen viel zu wenig. Es fühlt sich ein bisschen an, als hätte man bei einigen Berufen / Aktivitäten eher auf Sparflamme gekocht. Z.b. kann man in Palia jagen. Das Jagen notwendig, um Fleisch, Felle und Hörner zu sammeln. Bisher gibt es aber gerade mal zwei Tierarten, die man jagen kann und dementsprechend nur wenige Rohstoffe bei der Jagd. Während man sich beim Ackerbau z.B. mit zahlreichen anpflanzbaren Früchten, Bäumen und Gemüse austoben kann, kommt beim Jagen daher bereits nach kurzer Zeit Langeweile auf. Auch andere Berufe wie der Bergbau oder die Forstwirtschaft sind leider sehr langweilig gestaltet.

Die Welt ist grundsätzlich offen und in Handarbeit gestaltet. Aber auch hier gibt es wenig Abwechslung (keine wirklichen Biome), nahezu keine Geheimnisse zu entdecken und stellenweise auch sehr leer. Besonders störend empfinde ich, dass die Welt nicht wirklich plausibel wird. In anderen Spielen reicht bereits ein Blick auf die Karte, um zu vermuten, wo bestimmte Ressourcen zu finden sind: Bäume im Wald, Erze im Gebirge und den Minen, Wildtiere auf den Wiesen, etc. In Palia liegen die Ressourcen größtenteils aber kreuz und quer auf der gesamten Karte verteilt. Oder sind an Orten, an denen man sie vermutet, überhaupt nicht vorhanden: In der Mine fand ich z.B. kein einziges Erzvorkommen. Wildtiere sind auf den Wiesen eher selten zu finden, stattdessen im Gebirge. Gezieltes Farmen von irgendwas ist hier also so gut wie nicht möglich (außer bei Stein und Holz). Stattdessen lautet die Antwort auf die Frage, wo man Ressource XY findet häufig: Überall und nirgends – lauf einfach einmal quer über die Karte anstatt bestimmte Orte zu besuchen. Von dieser Regel gibt es leider nur wenige Ausnahmen. Z.b. findet sich Ton nur südlich von Kilima am Meer.

Insgesamt gibt es aber auch nicht wirklich was in den Gebieten zu entdecken. Hin und wieder eine Schatztruhe und ganz selten mal ein Rezept. Schade. So lohnt sich das Erkunden kaum.

Was ich extrem störend finde, ist die Umsetzung des Hausbaus. Man sammelt und Verarbeitet ersteinmal teilweise mehrere Stunden Rohstoffe für die Konstruktion bzw. die Erweiterung des Hauses und lagert diese dann an der Baustelle ein. Liegen alle Materialen dann am Bau vor, kann die Errichtung beginnen – und die dauert 8 Stunden. Da kommen bei mir dann sofort Browsergame-Vibes auf. Und gerade mit Blick auf das Free to Play Modell und den Shop in Palia habe ich schon starke Bedenken darüber, wohin das führen wird. So etwas macht einfach keinen Spaß und sollte aus dem Spiel gestrichen werden.

MMO-Elemente quasi nicht vorhanden

Am meisten ärgert mich aber, dass Palia ein MMO sein möchte, ohne wirklich sinnvolle Features von MMO einzubauen.
Für mich bedeutet MMO mit teilweise hunderten Spielerinnen und Spieler gemeinsam zu interagieren. Sei es zu Rollenspiel zu betreiben, gemeinsame Projekte anzugehen, sich zu organisieren oder zu bekriegen.
Palia bietet folgende MMO-Elemente:

  1. In den Gebieten außerhalb eures Housingbereiches könnt ihr zufällig auf Spieler treffen. Diese offene Welt ist hochgradig instanziert und auf wenige Leute begrenzt (etwa 30 Stück pro Instanz).
  2. Ihr könnt gegenseitig eure Housing-Grundstücke betreten.
  3. Ihr könnt über Chatkanäle kommunizieren.
  4. Ihr könnt bei euren Freunden Ressourcen anfragen.
  5. Ihr könnt gemeinsam Ressourcen ernten (also z.B. gemeinsam auf einen Stein einschlagen ohne euch gegenseitig die Rohstoffe wegzunehmen).
  6. Ihr könnt eine gemeinsame Gilde gründen.

Das war alles. Kein Handelsplatz, keine gemeinsame Bewirtschaftung einer Farm, kein Tauschhandel mit Rohstoffen, keine gemeinsamen Dorffeste, keine gemeinsamen Dorfprojekte, keine gemeinsamen Familiengründungen, … eigentlich all das, was man von einem MMO in diesem Genre erwartet, funktioniert in Palia nicht. Es gibt nichteinmal einen /say-Chat mit Sprechblasen über den Köpfen der Leute. Wenn ich in dem MMO-Bereich dieses Spieles so eine Feature-Wüste anbiete, frage ich mich, wo da der Mehrwert gesehen wurde, aus diesem Spiel ein MMO zu machen? Es ist irgendwie ziemlich ernüchternd, wenn man mit dem Begriff „MMO“ wirbt und im Endeffekt aber jedes drittklassige mobile Game mehr Interaktionsmöglichkeiten hat als ein Spiel, dass sich MMORPG in die Fahne schreibt.

Fazit

Vertseht mich nicht falsch: Das Grundgerüst ist da und ist ganz in Ordnung. Das Spiel hat Potenzial und macht Stellenweise auch durchaus Spaß. Aber wenn Palia es mit der aktuellen Konkurenz aufnehmen möchte, kommt es einfach mit einem Messer zu einer Schießerei. Und der einzige Unique Selling Point funktioniert einfach nicht. Deswegen hoffe ich einfach, dass da in den kommenden Monate noch einiges an Arbeit einfließen wird. Wieso das Spiel bei einigen Vorabtests auf Spieleseiten so gut wegkommt, kann ich auch nicht wirklich nachvollziehen.

Review: Palia - bisher eher enttäuschend (2024)
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